Patientendokumentation in Deutschland
Die Herausforderungen der aktuellen Patientendokumentation
In einer Welt, in der digitale Technologien in fast allen Lebensbereichen vorherrschen, bleibt das deutsche Gesundheitswesen in Bezug auf die Patientendokumentation und -kommunikation merkwürdig zurück.
Dr. Kai Kleinholz Hausarzt aus Bielefeld, beleuchtet auf unserer Veranstaltung "Die elektronische Patientenakte (ePA): Eine wegweisende Zukunft für die Patientendokumentation" die aktuellen Schwierigkeiten und Herausforderungen im Gesundheitswesen.
Das Chaos der Datenkommunikation im Gesundheitswesen
Ein System im Zustand der Desorganisation
Dr. Kai Kleinholz beschreibt eindrücklich das gegenwärtige Durcheinander in der Datenkommunikation des deutschen Gesundheitswesens. Verschiedene Akteure wie Praxen, Krankenhäuser, Apotheken, Pflegeheime und weitere Gesundheitsdienstleister arbeiten auf unterschiedlichen technologischen Ebenen, oft ohne eine effektive Kommunikation untereinander.
Dieses Fehlen einer koordinierten Kommunikation führt zu einem Mangel an notwendigen Patienteninformationen, was wiederum zu Fehlbehandlungen und Doppelbehandlungen führen kann.
Die Konsequenzen der fehlenden Vernetzung
Die fehlende Vernetzung und der Mangel an einem zentralisierten Informationssystem führen zu erheblichen Schwierigkeiten in der Patientenversorgung. Ärzte und medizinisches Personal verbringen wertvolle Zeit damit, Informationen zu sammeln, die eigentlich leicht zugänglich sein sollten. Dieser ineffiziente Prozess verlangsamt nicht nur die Behandlung, sondern erhöht auch das Risiko von Fehlern, da wichtige Informationen möglicherweise übersehen oder nicht rechtzeitig berücksichtigt werden.
Beispiele aus der Praxis
Dr. Kleinholz führt konkrete Beispiele an, die die Bedeutung einer effizienten Kommunikation und Dokumentation unterstreichen. So muss beispielsweise ein Kardiologe wissen, ob ein Patient Viagra einnimmt, bevor er Nitrate verschreibt, da dies zu gefährlichen Wechselwirkungen führen kann.
Ebenso muss ein Dermatologe über die Einnahme von Betablockern informiert sein, da diese die Symptome einer Schuppenflechte verschlimmern können. Diese Beispiele verdeutlichen, wie kritisch der Informationsaustausch für eine sichere und effektive Patientenversorgung ist.
Die Rolle der Patienten in der Informationskette
Ein weiteres Problem ist die Abhängigkeit von den Patienten als Informationsquelle. Während Patienten theoretisch ihre eigene Krankengeschichte kennen sollten, zeigt die Praxis, dass sie oft unzuverlässig in der Übermittlung ihrer medizinischen Daten sind. Sie können wichtige Informationen vergessen oder bewusst auslassen, was die Diagnose und Behandlung erschwert.
Die veraltete Technologie
Erstaunlicherweise ist das Faxgerät immer noch das Hauptkommunikationsmittel im deutschen Gesundheitswesen. Dieses veraltete Medium steht symbolisch für den dringenden Bedarf an einer Modernisierung der Kommunikationswege im Gesundheitssektor.
Die Unzulänglichkeiten der elektronischen Patientenakte (EPA)
Die EPA, die als Lösung für diese Probleme gedacht war, ist weit davon entfernt, effektiv zu sein. Dr. Kleinholz kritisiert, dass die EPA nach 20 Jahren Entwicklung immer noch nicht den Bedürfnissen der Ärzte und Patienten entspricht. Die Herausforderungen reichen von der komplizierten Beantragung und Aktivierung bis hin zu technischen Mängeln, die die Nutzung erschweren.
Die Vision einer effizienten Patientendokumentation
Ein umfassendes und zugängliches Informationssystem
Die ideale elektronische Patientenakte (EPA) sollte als zentrales, umfassendes und leicht zugängliches Informationssystem dienen. In dieser Vision würde die EPA alle relevanten Patientendaten enthalten – von der Medikationshistorie über Allergien, Impfungen, frühere und aktuelle Erkrankungen bis hin zu Behandlungsplänen und Untersuchungsergebnissen.
Dies würde eine kontinuierliche, nahtlose und qualitativ hochwertige Versorgung ermöglichen, unabhängig davon, ob der Patient von einem Hausarzt, einem Spezialisten oder in einem Krankenhaus behandelt wird.
Schnelle und effiziente Entscheidungsfindung
Mit einer effizienten Patientendokumentation könnten Ärzte und medizinisches Personal schnell auf vollständige Patienteninformationen zugreifen, was zu einer schnelleren und genaueren Diagnose und Behandlung führt.
Dies würde nicht nur die Patientensicherheit erhöhen, sondern auch die Effizienz im Gesundheitswesen verbessern, indem Wartezeiten reduziert und Doppeluntersuchungen vermieden werden.
Integration und Interoperabilität
Ein Schlüsselelement einer effizienten Patientendokumentation ist die Integration verschiedener Gesundheitssysteme und -technologien. Dies würde bedeuten, dass Informationen nahtlos zwischen verschiedenen Praxen, Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen ausgetauscht werden können. Die Interoperabilität ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten auf dem neuesten Stand der Patienteninformationen sind.
Patientenbeteiligung und -autonomie
Die Vision beinhaltet auch eine stärkere Beteiligung der Patienten an ihrer eigenen Gesundheitsversorgung. Patienten sollten in der Lage sein, ihre eigenen Gesundheitsdaten einzusehen und zu verwalten, was zu einer erhöhten Transparenz und einem besseren Verständnis ihrer Gesundheit führt. Dies fördert die Autonomie der Patienten und ermöglicht es ihnen, eine aktivere Rolle in ihrer Gesundheitsversorgung zu übernehmen.
Datenschutz und Sicherheit
Ein effizientes System der Patientendokumentation muss auch strenge Datenschutz- und Sicherheitsstandards erfüllen. Patientendaten sind äußerst sensibel und erfordern daher höchste Sicherheitsmaßnahmen, um Missbrauch und unbefugten Zugriff zu verhindern. Gleichzeitig muss das System flexibel genug sein, um den sich ändernden Anforderungen und Bedrohungen in der digitalen Welt gerecht zu werden.
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Die Vision einer effizienten Patientendokumentation ist nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern auch eine Gelegenheit, die Art und Weise, wie Gesundheitsversorgung bereitgestellt und erlebt wird, grundlegend zu verändern. Durch die Schaffung eines integrierten, patientenzentrierten und sicheren Systems können wir einen großen Schritt in Richtung einer verbesserten, effizienteren und sichereren Gesundheitsversorgung machen.
Hoffnungsvolle Alternativen und Zukunftsaussichten für die Patientenkommunikation
Digitale Gesundheitsplattform OWL
Als Alternative zur EPA erwähnt Dr. Kleinholz die digitale Gesundheitsplattform OWL, ein Projekt aus Ostwestfalen, das eine effiziente und strukturierte Datenübermittlung ermöglicht. Diese Plattform könnte ein Vorbild für die zukünftige Entwicklung der EPA sein.
Abschließende Gedanken
Dr. Kleinholz bleibt hoffnungsvoll, dass eine funktionierende EPA in der Zukunft realisiert werden kann, obwohl er skeptisch ist, ob dies in seiner beruflichen Laufbahn noch geschehen wird. Er betont die Notwendigkeit einer solchen Plattform für eine verbesserte Patientenversorgung in Deutschland.
Die Patientendokumentation steht an einem Wendepunkt. Während die Herausforderungen groß sind, bieten innovative Lösungen wie die digitale Gesundheitsplattform OWL Hoffnung auf eine effizientere und effektivere Zukunft in der medizinischen Dokumentation und Kommunikation. Es bleibt abzuwarten, wie sich die EPA entwickeln wird und ob sie die hohen Erwartungen erfüllen kann, die an sie gestellt werden.
Vertiefen Sie Ihr Wissen: Zugang zu wertvollen Ressourcen
Für alle Interessierten, die sich intensiver mit der Thematik der elektronischen Patientenakte (EPA) beschäftigen möchten, bietet die Veranstaltungsseite „Die elektronische Patientenakte (EPA)“ eine wertvolle Ressource. Hier finden Sie eine Sammlung von Vorträgen, die tiefgreifende Einblicke und Expertenwissen zum Thema EPA bieten.
Für weitere Einblicke und Hintergrundinformationen zum Thema empfehlen wir Ihnen auch, das YouTube-Video von Dr. Kai Kleinholz anzusehen, in dem er seine Erfahrungen und Ansichten zur aktuellen Situation der Patientendokumentation in Deutschland teilt.
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